Der 5G-Standard: Grundvoraussetzung für das Industrial IoT
von Kristina Kastner
Immer mehr, immer schneller: Jahrzehntelang wurden mit jedem neuen Mobilfunkstandard die Datenraten massiv erhöht. So auch diesmal, beim Wechsel von 4G zu 5G. Und doch ist diesmal etwas fundamental anders: Für das IoT sind exorbitante Geschwindigkeiten beim Up- und Download zwar interessant, wichtiger aber sind Zuverlässigkeit, niedrige Latenzen und eine gute Festkörperdurchdringung. Im Mittelpunkt der Standardisierungsbemühungen stehen bei 5G mehrere Milliarden Maschinen, Autos, Dinge, die in Echtzeit miteinander kommunizieren wollen.
Mobilfunknetze haben seit den 1980er-Jahren vor allem einen Zweck: Menschen zu verbinden. Zunächst diente das Netz ausschließlich zum Telefonieren, also der Sprachübertragung. Danach gab es ungefähr alle zehn Jahre einen Entwicklungssprung durch die Einführung eines neuen Mobilfunkstandards.
In den 1990er-Jahren kam mit der zweiten Generation (2G) die Textübertragung in Form der SMS hinzu. Internetfähig war kaum ein Mobilgerät. Und wenn doch, wurden mobile Daten über GPRS oder per Edge (E) mit maximal 220 kbit / s übertragen. Das reicht kaum für den Aufbau einer modernen Website.
Mit der dritten Generation (3G oder auch UMTS) begann der Siegeszug der Smartphones und das Internet wurde mobil – um mit der vierten Generation (4G oder auch LTE-Advanced) seine heutige Geschwindigkeit zu erreichen. In der Theorie sind heute Downloadgeschwindigkeiten von 1 000 Mbit / s möglich, in der Praxis sind es allerdings eher 50 Mbit / s. Das liegt zum Beispiel daran, dass zu viele Nutzer in einer Zelle eingewählt sind, oder daran, dass sich der Nutzer in einem geschlossenen Raum befindet und sich der Empfang dadurch deutlich verschlechtert.
Seit 1998 federführend bei der Standardisierungsarbeit ist 3GPP („3rd Generation Partnership Project“), eine weltweite Kooperation von Standardisierungsgremien. Ein Großteil aller Mobilfunknetzbetreiber, -hersteller und -regulierungsbehörden ist hier organisiert und erarbeitet technische Spezifikationen, die alle Aspekte der Mobilfunktechnik möglichst präzise beschreiben. So soll sichergestellt werden, dass die Mobilgeräte der Hersteller in den Mobilfunknetzen weltweit kompatibel sind.
„In der Fabrik der Gegenwart sind zahlreiche Prozesse automatisiert. Zudem werden heute bereits Maschinendaten gesammelt, analysiert und zur Optimierung von Abläufen genutzt.“
Soweit zur Geschichte der Mobilfunkstandards. Die Zukunft heißt 5G und wird für das Jahr 2020 erwartet. 5G verspricht nicht weniger als eine Revolution: Zum ersten Mal steht nicht die Kommunikation zwischen Menschen im Mittelpunkt der Weiterentwicklung, sondern die zwischen Dingen – das Internet of Things. Selbstverständlich wird auch in diesem Entwicklungsschritt das Mobilfunknetz bzw. das mobile Internet noch komfortabler für die menschlichen Anwender. Bis zu 10 Gb / s Downloadgeschwindigkeit und sogar 20 Gb / s im Upload sollen zukünftig laut 3GPP-Spezifikationen – in der Spitze – möglich sein. 5G richtet sich (zumindest in Europa) aber weniger an die Endverbraucher als vielmehr an die Industrie und die hat, über die hohen Bandbreiten hinaus, ganz andere Bedürfnisse.
Vernetzung in der Smart Factory
In der Fabrik der Gegenwart sind zahlreiche Prozesse automatisiert. Zudem werden heute bereits Maschinendaten gesammelt, analysiert und zur Optimierung von Abläufen genutzt. So kann mancherorts der Wartungsbedarf prognostiziert und vorausschauend eingeplant werden – Stillstände werden so vermieden. Um die dafür benötigten Daten zu sammeln, werden die Maschinen mit Sensoren ausgestattet, die in einem lokalen Netzwerk vernetzt sind und die Daten zu einer Plattform in einer Cloud schicken.
Die Fabrik der Zukunft, die Smart Factory, basiert auf solchen intelligenten Einheiten. Das bedeutet, die Zahl der vernetzten Dinge steigt: Dazu gehören etwa fahrerlose Transportfahrzeuge in der Logistik oder Transportbehälter, die ihre aktuelle Position und ihren Füllstand melden, aber auch Augmented-Reality-Brillen, die die Fabrikarbeiter durch komplexe Anwendungen und Arbeitsschritte führen.
Der große Unterschied zwischen heute und morgen: Heutige Vernetzungstechnologien sind größtenteils noch kabelgebunden. Hier kommen vor allem Ethernet- und Feldbus-Technologien zum Einsatz. Die Smart Factory aber muss kabellos funktionieren, denn nur so wird die benötigte Mobilität und Flexibilität möglich – also etwa das Tracken einer Lieferung in einer komplexen Logistikkette. Heutige Funkverbindungen genügen jedoch kaum den Ansprüchen der Smart Factory, insbesondere in Hinblick auf Zuverlässigkeit, Latenzen und die Möglichkeit, eine große Masse an Dingen miteinander – in Echtzeit – zu vernetzen.
Erste Schritte auf dem Weg zur Smart Factory sind heute schon möglich: So existieren bereits jetzt mit Narrowband-IoT und M2M-Kommunikation Technologien und Konzepte, die die Vernetzung zwischen Dingen bzw. Maschinen möglich machen. Narrowband-IoT ist als 3GPP-Standard Teil von „Long Term Evolution“ (LTE). Er funktioniert über simple Funkmodule, die per Plug & Play installiert werden und günstig in der Anschaffung und im Betrieb sind – und somit ideal für IoT-Anwendungen, die nur ab und zu kleine Datenmengen versenden. An Narrowband-IoT lässt sich bereits ablesen, was den 5G-Standard gegenüber seinen Vorgängern so besonders macht: Bei Industrieanwendungen wie dem IoT geht es nur selten um große Bandbreite und hohe Geschwindigkeiten. Vielmehr müssen kleine Datenmengen zuverlässig übertragen werden – auch in schwierigen Umgebungen und über große Distanzen.
Das Netzwerk in Scheiben schneiden
Die Herausforderung, die der 5G-Standard meistern muss, liegt auch und besonders in der Zahl der Geräte, die sich im mobilen Netz befinden. Laut einer Prognose des US-amerikanischen Marktforschungsunternehmens IDC werden im Jahr 2020 etwa 1,8 Milliarden Smartphones weltweit mobiles Internet nutzen – hinzu kommen bis zu 50 Milliarden vernetzte Fahrzeuge, Maschinen und sonstige Geräte, die miteinander, mit der Cloud und mit den Nutzern kommunizieren. Die Lösung liegt darin, das Netz zu entzerren, je nach Anforderung. Das geschieht durch das sogenannte Network-Slicing. Dabei bekommt jede Anwendung das Netz, das sie benötigt, indem das Netz virtuell in Abschnitte oder Sub-Netze mit eigens definierten Ressourcen- und Verfügbarkeits-Garantien unterteilt wird.
Im 5G-Netz werden neue Frequenzbereiche hinzugezogen, die bisher nicht genutzt wurden. Bisher findet der gesamte Mobilfunk im Bereich bis 6 GHz statt. Die Frequenzen darüber hinaus waren nicht nutzbar, da bislang die notwendigen Technologien fehlten. Die neuen, großen Übertragungsraten finden alle oberhalb von 6 GHz statt. Das bedeutet unter anderem, dass das Netz deutlich engmaschiger werden muss, als das bisher der Fall war. Hier werden die Mobilfunkbetreiber investieren müssen, in neue – und vor allem mehr – Antennen. Das Signal der IoT-Endgeräte dagegen muss Wände und andere Festkörper durchdringen können, da es in Gebäuden auch vom Kellergeschoss ins Erdgeschoss gelangen muss. Diese Festkörperdurchdringung ist besonders bei den niedrigen Frequenzen gegeben, außerdem wird in diesem Spektrum eine hohe Zuverlässigkeit erreicht. Für eine flächendeckende Abdeckung ist das 2,6-GHz-Spektrum prädestiniert.
Pro Quadratkilometer eine Million vernetzter Geräte
Das IoT stellt fünf große Anforderungen an das mobile Netz: Größtmögliche Netzabdeckung, robuste Übertragungen, maximale IT-Sicherheit, geringstmöglicher Stromverbrauch und minimale Kosten. IoT-Endgeräte verbrauchen durch die Einschränkungen bei der Datenrate und der Sendefrequenz sehr wenig Strom, sodass ein Batteriesatz zehn Jahre oder länger halten kann. Aufgrund der geringen benötigten Bandbreite lassen sich mehrere 10 000 IoT-Endpunkte (an denen die gesendeten Daten der vernetzten Geräte zusammenlaufen) mit einer Funkzelle versorgen. Das 5G-Netz wird für die Vernetzung von einer Million Geräte / Dinge pro Quadratkilometer ausgelegt sein.
„Die Herausforderung, die der 5G-Standard meistern muss, liegt auch und besonders in der Zahl der Geräte, die sich im mobilen Netz befinden.“
Ein weiterer Faktor, der für das IoT elementar ist, ist die niedrige Latenz. Der Zeitraum zwischen dem Auftreten eines Signals beim Sender und dem Eintreffen desselben beim Empfänger muss für Industrieanwendungen so kurz wie möglich sein, sodass etwa im Falle einer Störung im Produktionsablauf kein Domino-Effekt einsetzt und weitere Schäden nach sich zieht. Gleichzeitig dürfen die betreffenden Anwendungen praktisch keinerlei Ausfall verzeichnen. Im 4G-Netz liegt die Latenz bei 10 ms, sie soll auf 1 ms in 5G sinken.
Mitreden bei der Standardisierung
Die Arbeit am 5G-Mobilfunkstandard soll im Rahmen der 3GPP bis Ende 2019 abgeschlossen werden, sodass 2020 mit der Einführung begonnen werden kann. In den einzelnen Arbeitsgruppen sind auch Vertreter aus Forschung und Wirtschaft vertreten, unter anderem auch aus Deutschland. So auch mehrere Projektpartner des Forschungsprojektes IC4F aus dem Technologieprogramm PAiCE des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), das an robusten und echtzeitfähigen Kommunikationslösungen für die verarbeitende Industrie arbeitet. Sie konnten einige relevante Anwendungsfälle und Anforderungen an 5G im Kontext der Smart Factory in die 5G-Standardisierung einbringen. Diese wurden im Technical Report „Study on Communication for Automation in Vertical domains” berücksichtigt. Auf diese Weise können einzelne Branchen Einfluss darauf nehmen, dass ihre Interessen bei der Formulierung des 5G-Standards berücksichtigt werden.
„Die Arbeit am 5G-Mobilfunkstandard soll im Rahmen der 3GPP bis Ende 2019 abgeschlossen werden, sodass 2020 mit der Einführung begonnen werden kann.“
Der betreffende Technical Report deckt Anwendungsfälle aus wichtigen Bereichen wie Service-Robotik, Augmented Reality, Virtual Reality, Fertigungsautomatisierung, Prozesssteuerung und -überwachung, mobile Fernsteuerung und Fernwartung mit Sicherheitsfunktionen sowie massive funkbasierte Sensornetze ab. So konnte etwa festgelegt werden, dass mobile Robotiksysteme, die über ein 5G-Netz kommunizieren, in der Lage sein müssen, in Echtzeit miteinander zu kommunizieren und Kontrolldaten auszutauschen. Dies ist elementar für die kollisionsfreie Zusammenarbeit, da in der Fabrik der Zukunft bis zu hundert (potenziell bis zu 1 000) autonome mobile Robotiksysteme gleichzeitig zusammenarbeiten werden. Einer von vielen Schritten hin zu einem Industrial IoT. //
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