Bei der Energieinfrastruktur mit IoT-Technologien arbeiten
von Dr. Albrecht Reuter
Eine effiziente, zuverlässige und nachhaltige Energieversorgung von Infrastrukturen wie Flug- und Seehäfen, Industrieparks oder Fabriken und Fertigungsanlagen ist eine immense Herausforderung. Insbesondere die Steuerung energierelevanter Anlagen funktioniert häufig anlagenspezifisch und ohne intelligente Vernetzung, was eine Abstimmung der Anlagen untereinander erschwert. Hier könnten digitale Plattformen helfen, wie die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Plattform SmartEnergyHub zeigt. SmartEnergyHub beschäftigt sich mit der Frage, wie Betreiber kritischer Infrastrukturen das Energiemanagement mithilfe einer sensorbasierten Smart-Data-Plattform optimieren können. Auf der Plattform werden Energiemanagementdaten, Wetterprognosen und die Anbindung an externe Marktplätze kombiniert und so Energiesparpotenziale erschlossen.
Ausgangslage bei Infrastrukturbetrieben
Die Ausgangssituation bei Infrastrukturbetrieben stellt sich im Allgemeinen wie folgt dar: Die Betreiber sogenannter kritischer Infrastrukturen wie Flug- und Seehäfen, Industrie- und Chemieparks, Fabriken und Fertigungsanlagen, aber auch Bürogebäude sind bedeutende Verbraucher und gleichzeitig Erzeuger von Energie. Darüber hinaus besitzen sie erhebliche Speicherkapazitäten und verfügen über nennenswerte Lastverschiebungspotenziale. Ein Beispiel ist der Jahresenergieverbrauch des Flughafens Stuttgart mit über 80 Gigawattstunden für elektrischen Strom, Gas-Bezug zur Wärmebereitstellung in Kraft-Wärme-Kopplung sowie erheblichen Back-up-Kapazitäten.
Eine wesentliche Herausforderung für die Betreiber dieser Infrastrukturen liegt darin, die Services der technischen Infrastruktur zuverlässig und stabil aufrechtzuerhalten und mit den übergeordneten Verteiler- und Übertragungsnetzen zu synchronisieren. Dies schließt unter anderem die aktive Teilnahme an den Großhandels- bzw. Regelleistungsmärkten explizit ein.
„Informationen aus den bisher separaten Managementbereichen der Technik, des Finanzwesens, des Asset-Managements und der Services müssen in „Needtime“ (also nahezu Realtime) aufgenommen und verarbeitet werden.“
Informationen aus den bisher separaten Managementbereichen der Technik, des Finanzwesens, des Asset-Managements und der Services müssen in „Needtime“ (also nahezu Realtime) aufgenommen und verarbeitet werden. Aufgrund der sehr dynamischen Entwicklungen im Zuge des Energiewendeprozesses müssen die Zielfunktionen, die Restriktionen und Randbedingungen ständig angepasst werden. Dies geht bei weitem über das Leistungspotenzial herkömmlicher Energiemanagementsysteme hinaus. Die Steuerung energierelevanter Anlagen in Infrastrukturbetrieben wird häufig anlagenspezifisch und unabhängig von anderen Anlagen betrachtet. Die Optimierung erfolgt meist nicht systemisch, sondern gerätespezifisch oder energieträgerbezogen. Ein Energieeffizienzsprung kann aber nur durch eine gesamtheitliche Betrachtung aller vorhandenen Anlagen über die Sektoren und Unternehmensbereiche hinweg erreicht werden. Hierfür ist die Anbindung aller verfügbaren Sensoren und Zähler die Grundlage. Oftmals stehen diese Daten über die Gebäudeleittechnik bereits zur Verfügung, werden jedoch wenig genutzt und sind durch proprietäre Lösungen nur schwer zugänglich. Durch den Einsatz intelligenter IT-Lösungen können diese Daten genutzt und somit Einsparpotenziale gehoben, die Nutzung erneuerbarer Energien verbessert und Mehrwerte realisiert werden.
Beispiele für ungenutzte Potenziale sind intelligente Verschiebungen von Lasten (Demand-Side-Management) innerhalb des Infrastrukturbetriebs, womit Betriebskosten drastisch gesenkt und Bezugslimits (besonders relevant bei Strom- und Gaslieferverträgen) eingehalten werden können. Andere Beispiele betreffen bereichsübergreifende Optimierungen: So kann zum Beispiel die Klimatisierung in einem bestimmten Terminal nicht nur in Abhängigkeit der Raumtemperatur und evtl. der Außentemperatur, sondern auch aufgrund der Flugpläne und des Passagieraufkommens zum jeweiligen Zeitpunkt optimiert werden. Die Art der übergreifenden Optimierung eröffnet neue Effizienzdimensionen.
Anforderungen an eine systemische Optimierung
Folgende Anforderungen werden an ein zukunftsfähiges wie auch integriertes Energiemanagement bei Infrastrukturbetrieben gestellt:
- Die technische Effizienz und die Systemkosten sind simultan und sektor- sowie energieträgerübergreifend zu optimieren, während die garantierten Systemdienstleistungen zu erbringen sind. Die gegebenen technischen und umweltrelevanten Restriktionen müssen natürlich eingehalten werden. Dabei ist eine möglichst hohe Zuverlässigkeit und Ausfallsicherheit des Betriebs sicherzustellen.
- Die Binnenoptimierung muss mit externen Partnern und Regelungen synchronisiert werden.
- Im Rahmen der Energiewende ist die Möglichkeit zu schaffen, neue Geschäftsmodelle, Optimierungsziele sowie zusätzliche Restriktionen rasch und flexibel zu implementieren.
- Das Energiesystem unterliegt extrem dynamischen Entwicklungen sowohl auf Marktseite (z. B. Verfall der Strombörsen-Preise, Sinken der Investitionskosten für Fotovoltaik oder Speicher) als auch im regulatorischen Bereich (z. B. Reform des Energiewirtschaftsgesetzes oder EEG-Eigenstromregelung), die sowohl den Betrieb wie auch die Investitionsstrategie betreffen.
- Die Anlagen müssen in einem Optimierungsmodell technisch und ökonomisch abgebildet werden, um die Flexibilitätspotenziale gezielt zu nutzen.
Lösungsansätze
Um die beschriebenen Herausforderungen zu lösen, werden folgende Ansätze verfolgt:
- Nutzung von kurz- und mittelfristigen Prognosen von Sensordaten und Lastgängen
- Einbindung externer Datenquellen (Wetterdaten, Strompreisdaten etc.)
- Anbindung an externe Märkte (beispielsweise Teilnahme an regionalen Energieverbünden)
Gleichzeitig bieten neue Smart-Data-Lösungen auf Basis von sensorbasierten, vernetzten, intelligenten IT-Systemen viele Chancen, ungenutzte Potenziale für den zukünftigen Betrieb von Infrastrukturen, insbesondere der Energiesysteme, zu erschließen. Davon profitiert nicht nur konkret ein Standort, sondern im Rahmen von virtuellen Energiesystemen profitieren auch verschiedene Betreiber oder die Zusammenarbeit von Energieversorgern und Netzbetreibern.
SmartEnergyHub-Lösungen
Der SmartEnergyHub, der im Smart-Data-Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert wurde, verfügt über diese Kernbausteine als offene, hochskalierbare und aktive Energiemanagementplattform und verspricht großen als auch mittelständischen Unternehmen komfortable und skalierbare Nutzungsmöglichkeiten durch die Implementierung auf einer cloudbasierten Zeitreihendatenbank. Bestehende Sensorsysteme sind dabei einfach und schnell integrierbar. Eine Interaktion mit den Marktpartnern erfolgt in Needtime. Es werden Modelle für die unternehmensübergreifende Datennutzung entwickelt, bis hin zu neuen Betriebs- und Geschäftsmodellen für Energieverbünde.
„Der SmartEnergyHub, der im Smart-Data-Programm des BMWi gefördert wurde, verfügt über eine offene, hochskalierbare und aktive Energiemanagementplattform.“
Im Rahmen von SmartEnergyHub wurden IT-Lösungen in einer cloudbasierten Architektur entwickelt und umgesetzt, die es ermöglichen, das komplette Energiemanagement für Betreiber unter Berücksichtigung der dezentraleren Energiesystemstruktur in einem mandantenfähigen System zu optimieren. In der zukünftigen Energiewelt steigt die Bedeutung einer aktiven Teilnahme am Energiemarkt im Zuge eines integrierten Energiemanagements für alle Akteure. Die Verarbeitung großer Sensordatenmengen in Needtime ist dabei eine große Herausforderung. Hierzu dient eine cloudbasierte IT-Lösung auf Basis einer hochperformanten, skalierbaren In-Memory-Datenbank, wie sie am Flughafen Stuttgart implementiert ist. Die Lösung umfasst komfortable, übersichtliche Visualisierungen, die Entscheidern eine einfache Möglichkeit bieten, ihre Anlagen optimal zu steuern und am Markt teilzunehmen. //
Autorenvita Dr. Albrecht Reuter
Der Text ist unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DE verfügbar. Lizenzbestimmungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/ |